Schwächt der Wegfall meiner Kirchensteuer die Arbeit der Kirche?
Für die Kirchgemeinden und die Landeskirchen sind die Kirchensteuer-Einnahmen der Kirchenmitglieder wichtig, auch wenn die Kirchgemeinden zusätzlich über staatliche Zuschüsse und Kirchensteuern der Unternehmen finanziert sind.
So legen denn die Kirchgemeinen austrittswilligen Personen ans Herz daran zu denken, dass die Einnahmen wichtig sind für soziale Tätigkeiten, für die Seelsorge, für ein vielseitiges Engagement für die Jugend oder den Einsatz für Menschen am Rand der Gesellschaft.
Dem setzte ein Kulturredaktor des Tages-Anzeigers zum Jahresanfang provokativ seinen Kirchenaustritt-Vorsatz entgegen, zusammen mit der These: Die Kirchen sind wichtige soziale Projekte, aber man schwächt die Kirchen nicht mit dem Austritt aus der Kirche: Die Kirchen würden vom Staat genug unterstützt, um die sozialen Leistungen weiterzuführen. Austritte würden den Kirchen also nicht schaden.
Gar nicht einverstanden damit war die Synodalratspräsidentin der Römisch-katholischen Kirche des Kantons Zürich. Sie veröffentlichte als Entgegnung einen offenen Brief.
zhkath.ch: Kirchenaustritt schadet allen
Warum schwächt jeder Austritt die Kirche?
Zusammenfassung ihrer Argumente
Die öffentliche Behauptung, ein Kirchenaustritt schade den Kirchen nicht, ist aus kirchlicher Sicht nicht haltbar. Die Kirchen leisten weit mehr für die Gesellschaft, als sie an Staatsbeiträgen erhalten. Eine umfassende Studie der Universität Zürich hat gezeigt, dass die Kirchen erheblich zur sozialen und kulturellen Infrastruktur beitragen, indem sie allen Bürgerinnen und Bürgern – unabhängig von deren Religionszugehörigkeit – Leistungen zugänglich machen. Die jährlichen Staatsbeiträge von 50 Millionen Franken decken dabei nur einen Bruchteil der notwendigen Kosten. Demgegenüber stehen Kirchensteuereinnahmen von 440 Millionen Franken, die von Kirchenmitgliedern und Unternehmen geleistet werden und ohne die das vielfältige Engagement der Kirchen nicht möglich wäre.
Neben finanziellen Beiträgen leisten Freiwillige in der reformierten und katholischen Kirche im Kanton Zürich jährlich fast 1,9 Millionen Stunden unentgeltlicher Arbeit, was etwa 870 Vollzeitstellen entspricht. Dieses Engagement erfordert jedoch die Unterstützung durch hauptamtliche Mitarbeitende, die ebenfalls durch Kirchensteuern finanziert werden. Besonders bemerkenswert ist der Beitrag der Kirchen zur Erhaltung historischer Gebäude, zur Pflege der Kirchenmusik, zur Integration fremdsprachiger Migrantengemeinden und zur interreligiösen Zusammenarbeit. So investiert allein die katholische Kirche Zürichs jährlich rund 10 Millionen Franken in Sprachmissionen, um Migranten seelsorgerisch in ihrer Muttersprache zu begleiten.
Auch die Jugendarbeit der Kirchen ist von zentraler Bedeutung. Sie reicht von der Vermittlung religiösen und kulturgeschichtlichen Wissens bis zur Förderung von Werten wie Solidarität und Menschlichkeit, die junge Menschen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden begleiten. Diese Tätigkeiten sind Ausdruck einer umfassenden gesellschaftlichen Verantwortung, die weit über die Rolle einer rein staatlich unterstützten Institution hinausgeht. Die Kirchen verstehen sich zudem als Hüterinnen eines spirituellen Erbes, das Glaube, Hoffnung und Liebe vermittelt und Menschen in schwierigen Lebensphasen Orientierung bietet.
Kirchenaustritte bedeuten nicht nur einen finanziellen Verlust, sondern treffen die Kirche auch in ihrer Gemeinschaft. Sie erschweren es, jene Aufgaben zu erfüllen, die für eine friedliche, solidarische und werteorientierte Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sind. Die Kirche hofft daher, dass die gesellschaftliche Bedeutung der Kirchen und die Leistungen ihrer Mitglieder auch in öffentlichen Debatten mit journalistischer Sorgfalt dargestellt werden.